Posts Tagged ‘Vorratsdatenspeicherung’

Grundgesetz-Flashmob

Sonntag, Mai 24th, 2009

Gestern war ich auf meinem ersten Flashmob. Das allein war schon ein Erlebnis, aber der Hauptgrund war, auf diesem Weg unser Grundgesetz – die Verfassung, in der unsere Grundrechte niedergelegt sind – wieder mal in Erinnerung zu rufen.

Ich habe ganz kurzfristig erfahren, dass diese Blitz-Zusammenkunft, der Flashmob, stattfindet und fand es in Anbetracht der immer dreisteren Vorwände unserer Regierung, dieses oder jenes Bürgerrecht einzuschränken bzw. sich still und heimlich (sprich unbemerkt vom Großteil der Bevölkerung) zu einem Big Brother à la Orwell oder der Stasi aufzuschwingen, eine prima Idee.

Initiiert wurde die Veranstaltung unter dem Titel “Handeln statt Wegschauen! Löschen statt Sperren!” vom Verein MOGIS, MissbrauchsOpfer Gegen InternetSperren. Wir versammelten uns auf dem Washington Platz am Hauptbahnhof und lasen dann einige Artikel unseres Grundgesetzes laut vor:

Artikel 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft , des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Artikel 8
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waff en zu versammeln.
Artikel 10
(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
Artikel 19
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

Trotzdem es ein kleinwenig holprig war, hat es m. E. echt gut geklappt. Mit den ganzen Leuten dort zu stehen und diese Auszüge aus dem Grundgesetz vorzulesen, war schon ein bisschen bewegend. Vor allem auch, weil ich das Gefühl habe, ziemlich machtlos zu sein gegenüber den Beschlüssen unserer Regierenden. Wie viel Wirkung hat ein Brief an unsere Abgeordneten? Welche Änderungen kann eine Demonstration bewirken? Zwei Jahre ist es her, dass wir auf der Demo gegen Vorratsdatenspeicherung waren. Wenn man erstmal als Volksvertreter gewählt ist, muss ja nicht mehr zwangsläufig dessen Interessen vertreten, scheint’s. Aber wahrscheinlich hab ich auch nur das Prinzip nicht verstanden… :-/

Konkret gibt es einen Gesetzentwurf, der den Missbrauch von Kindern verhindern soll. Das ist ein heres Ziel, das ich natürlich absolut unterstütze. Was ich nicht unterstütze, ist der mehr als fragwürdige Weg, es zu erreichen. Internetseiten zu zensieren, ist ein Eingriff in unsere Grundrechte (siehe oben). Sollten den zuständigen Stellen Domainnamen vorliegen, die solche Inhalte bereitstellen, spricht aus1 meiner Sicht nichts dagegen, diese unverzüglich zu löschen. Unkontrollierbare, unveröffentlichte Listen mit wahllos gesperrten Webseiten zu erstellen2, dient lediglich dazu, eine Zensur zu etablieren. Wenn China3 die Menschenrechte missachtet, seinem eigenen Volk nur unkritische, regimefreundliche Inhalte im Internet präsentiert und ausländische Journalisten die Einreise / Berichterstattung verbietet, drohen wir mit dem Dudu-Finger und tun auf höchster politischer Ebene unseren Umut darüber kund. Und in Wahrheit hätten wir uns lieber mit Freuden der DDR-Diktatur untergeordnet, die wir so heldenhaft „zum Rücktritt überredet“ haben?! *kopfschüttel*

Weil es ein unendliches Thema ist und es um mehr geht als nur blockierte Internetseiten, hier ein paar Links:

Heise schreibt Ki***Po***-Sperren: Provider sollen Nutzerzugriffe loggen dürfen
Netzpolitik schreibt, warum es um Zensur geht
fefe schreibt, unserer Regierung ist schon klar, dass die Sperren nicht das Problem lösen
Netzzeitung schreibt Zensursula passiert im Kopf, mit Meinungen diverser Blogger
Mogis fragt, in welchem Land wir leben wollen und über die Abschaffung der Unschuldsvermutung
taz berichtet über Missachtung des Versammlungsrechts
Netzpolitik schreibt über die Petition gegen Internetsperren

Die Petition gegen das Sperren von Internetseiten habe ich ebenfalls unterzeichnet. 92.889 Bürger haben schon mitgezeichnet. Bei 82 Millionen Deutschen4 geht da noch einiges! Also los! „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.5

Hier ein Video von der Veranstaltung mit einem Interview mit Franziska Heine, die die Petition ins Leben gerufen hat:

  1. technischer/moralischer/politischer/öffentlicher? []
  2. und die Betreiber als potentielle Verbrecher zu behandeln []
  3. zu ersetzen durch jedes andere totalitäre Regime []
  4. davon 62 Millionen wahlberechtigt []
  5. Art. 17, GrundG, Petitionsrecht []

Freiheit statt Angst!

Sonntag, September 23rd, 2007

Ich war heute auf der allerersten Demonstration* in meinem Leben. Sie stand unter dem Motto Kaddi auf der Demo„Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn“ und richtete sich dementsprechend gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung, gegen generelle Protokollierung und Kontrolle sämtlicher Kommunikationswege und die Überwachung aller Bundesbürger.

Ich bin kein sehr politischer Mensch, daher werde ich darauf verzichten, den Sachverhalt von img_6992_kl.JPGdieser Seite zu beleuchten. Aber ich sehe doch, dass unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung oder der Anschlagsvermeidung, von der Politik Schritte unternommen werden, die die Rechte und Freiheiten der Bürger einschränken. In diesem Zusammenhang sind wohl so Unworte wie Bundestrojaner, Onlinedurchsuchungen oder biometische Pässe zu nennen. Und da ich weder persönliche Daten von meinem Rechner noch meine Krankengeschichte oder meine Kontobewegungen in den persönlichen Datenbanken unseres Innenministers stehen haben möchte, bin ich heute zu dieser Demo gegangen.

Das war ein bisschen spannend und auch aufregend und manchmal mitreißend und beängstigend. Ich bin natürlich mit Andi hingegangen, der auch darüber bloggt. Er hat einen ausführlicheren Beitrag geschrieben, der sehr lesenswert ist und außerdem an die 30 Fotos enthält.

Am Brandenburger Tor gab es erst noch ein paar kurze Redebeiträge, u. a. von einem Vertreter der Ärzteverbände und einer ver.di-Vertreterin. Pünktlich um 15:15 Uhr wurde der Aufbruch zumimg_6928_kl.jpg Spaziergang verkündet, was mich schon sehr erstaunt hat, weil es doch eigentlich nie pünktlich los geht. Ging es auch nicht. Es ging nämlich nicht vorwärts, nachdem wir uns in die Marschrichtung umgedreht hatten. Entweder hatten die hinten nicht gehört, dass es los geht oder sie wurden aufgehalten, weil die Gesetzeshüter Taschen kontrollieren wollten, oder sie wussten vielleicht auch gar nicht wohin. Man weiß es nicht.

Dann sind wir aber irgendwann doch los spaziert und konnten viele lustige Plakate sehen und img_6894_kl.JPGMusik hören und Touristen begaffen. Ein ganz klein bisschen hatte es ja was von Love Parade, aber vielleicht auch nur, weil so viele Menschen hinter Wagen auf der Straße liefen ;-) Bis zum Alex, wo eine Zwischenkundgebung stattfand, hatte ich auf jeden Fall Spaß. Das Wetter war ja auch spitzenmäßig. Und nachdem wir dort noch kurz weiteren Rednern gelauscht hatten, ging es in einer kleinen Schleife weiter – diesmal waren wir ziemlich weit vorn.

An einer provisorisch errichteten Ampel hatten wir auf ein paar Steinschwellen stehend einen guten Blick auf den Demonstrationszug, der sich jetzt erst in seiner ganzen Länge zeigte. Ich war wirklich beeindruckt, wie viele Menschen dort waren. Erste Schätzungen des Veranstalters besagten, dass 15.000 Demonstranten gekommen waren. Wenn gleich es natürlich mehr hätten sein sollen – ca. 82 Millionen, wie der Organisator sich gewünscht hatte ;-)

Mulmig wurde mir, als uns ein sehr langer und sehr eng stehender schwarzer Block passierte – links und rechts flankiert von Polizei. Schwarzer Block ist ja ein oft gebrauchtes Wort seit einiger Zeit (zuletzt wohl während des G8-Gipfels in Heiligendamm), aber es trifft das Erscheinungsbild einfach auch ziemlich gut. Ohne dass, meines Wissens nach, zu diesem Zeitpunkt schon irgendwas passiert wäre, war die Stimmung doch plötzlich nicht mehr so entspannt. Die Energie, die von diesem kompakten Paket Menschen ausging, war enorm.

Ich war fast erleichtert, als die von der Polizei eingepferchte Masse vorüber war und im img_6922_schaubles.jpgAnschluss wieder ein Wagen mit heiterer Musik und fröhlicheren Menschen kam. Aber trotzdem war seit dem mein Bedarf an Demo gedeckt und ich hatte genug gesehen. Der Zug kam danach mehrfach zum Stehen, weil es wohl doch Reibereien gab, in Folge derer es auf Seiten der Demonstranten auch Verletzte gab. Ich möchte das gar nicht beurteilen, wer da wie Schuld ist. Und ich möchte weder auf der einen noch auf der anderen Seite (geschweige denn dazwischen) stehen, aber ich glaube auch, dass es nicht zu dieser „explosiven“ Stimmung käme, wenn die Demonstranten nicht so eingekreist würden. Das erscheint mir doch etwas provokativ.

Als Unter den Linden wieder alles zum Stehen kam, weil die Polizei wohl einzelne aus dem Block aussortiert hat, war für uns Schluss. Wir sind noch kurz zurück zu dem Wagen mit elektronischer Musik gegangen, damit Kaddi (ja, ich rede in 3. Person von mir ;-)) ein bisschen rumhübbeln konnte und dann sind wir abgezogen. Erst noch zur Futteraufnahme in eine Fastfood-Kette und dann nach Hause. Und nu´ bin ich ganz schön kaputt – es waren letztlich doch fast 6 Stunden, viel länger als geplant.

Zum Schluss noch ein paar Links zum Thema:

Stoppt die Vorratsdatenspeicherung – Aufruf zur Demo, Informationen zum Sachverhalt

foebud.org – Mitorganisator der Demo; Betrag über Verlauf und Erfolg der Demo

Schäuble! Wegtreten! – Petition gegen Schäuble; der Link zum Mitmachen ist gleich oben auf der Seite! ;-)

heise – Polizeizugriffe bei Demo gegen den Überwachungsstaat

heise – Tausende Bürger demonstrieren für „Freiheit statt Angst“

* zählt man die Love Parade nicht mit