U-Bahn-Erlebnisse III – Spiegeläffchen

Es ist wieder an der Zeit, über die kleinen, teils amüsanten, Geschehnisse zu berichten, denen ich auf meinen täglichen U-Bahnfahrten beiwohnen darf. Heute möchte ich mal meine Faszination darüber zum Ausdruck bringen, mit welcher Hingabe sich Menschen in der gegenüberliegenden Scheibe selbst betrachten.

Ein junger Mann, in oben merkwürdig weiter, dafür an den Beinen recht enger, Sporthose, wird nicht müde, seine zuckenden Oberarmmuskeln, die nebenbei bemerkt wenig beeindruckend waren, zu betrachten. Immer wieder richtet er sein Base-Cap und posiert für sich selbst. Seinen Oberkörper platziert er so, dass er ihn trotz eines Mannes ihm gegenüber noch in der Scheibe sehen kann, was dazu führt, dass er recht seltsam dasitzt.

Meine Beobachtungen mache ich so unauffällig wie möglich, damit er nicht auch noch das Gefühl bekommt, er hätte Bewunderer!

An einem anderen Tag sitzt mir ein Püppchen (vielleicht 16 oder 17) gegenüber. Sie fummelt sich ununterbrochen in den Haaren rum, legt die einzelnen Strähnen zurecht und betrachtet sich von allen Seiten, streicht wieder eine Strähne beiseite und begutachtet ihr Werk in der Scheibe neben meinem Kopf. Bestimmt 8 Stationen lang. Selbst mein amüsiertes Grinsen, irritiert sie nicht. Sich die Haare zu machen, scheint bei Frauen das Pendant zum Muskelspiel der Jungs zu sein. Nur die Herren mit besonders gegelten oder gefönten Haaren korrigieren des Öfteren deren Sitz mit Blick in die Fensterscheiben.

In derselben Bahn wie der junge Mann mit dem Cap befindet sich noch ein weiteres nettes Exemplar. Ein schokobrauner Pubertant steht vor der Tür und hängt mit beiden Armen oben an der Querstange. Während der mit seinem Kumpel redet (beide tragen Muscle-Shirts – bei ca. 10 °C), schaut er sich selbst in die Augen. Erst übt er den Gangsterblick, dann flirtet er fast mit sich selbst. Selbstverständlich immer auch einen Blick auf seine kontrahierenden Oberarmmuskeln gerichtet.

An einem Abend vor ein paar Wochen fahre ich mit einer ältere Dame, die möglicherweise auf dem Weg ins Theater ist. Sie ist edel gekleidet, doch auch sie fuhrwerkt sich durch die – bis dahin perfekt sitzende – Frisur als sie sich vor dem Ausstieg in der Tür sieht. Was der Sache nicht unbedingt zum Vorteil gereicht, aber ich find´s toll, was einem so an kostenfreier Unterhaltung geboten wird! ;-)

2 Kommentare to “U-Bahn-Erlebnisse III – Spiegeläffchen”

  1. dr.no schreibt:

    Manche Menschen fühlen sich, wenn Glasscheiben in der Nähe sind, für andere unsichtbar. (Auch an der Ampel wartende Autofahrer) Auch empfinden es einige als schicklich das Spiegelbild von U-Bahn-Mitreisenden ohne Unterlass anzustarren. Ich selbst habe im ÖPNV einen ungebremsten Hang zum Zeitung-mitlesen- und Buchtitel-erkennen-wollen.

  2. Kaddi schreibt:

    Sorry, dass das Freischalten so lange gedauert hat. Wir waren im Urlaub. Buchtitel haben in der Tat auch auf mich eine Anziehungskraft. Gerade noch, dass ich mich nicht verbiege, um sie erkennen zu können! ;-)

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